Oder: Warum uns KI in ein neues "Dunkles Zeitalter" bringen wird.
Die Welt der Antike war eine aufgeklärte Welt - eine Welt in der das Wissen der Menscheit in einer gewissen Breite zugenommen hatte.
Die gewiss schwammige Einschränkung "Gewisse Breite" will sagen daß ein breites Wissen nicht lediglich Kennzeichen einer kleinen herrschenden Elite war sondern auch mindestens in einer breiteren gehobenen Mittelschicht etabliert gewesen ist.
Festzumachen an der Unterweisung von Jüngeren auch in Kulturtechniken die nicht unmittelbare wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen.
Festzumachen auch an Vergnügungen die nicht nur einfachste Unterhaltung sind.
Dabei kommt es auch weniger auf die Frage an wie allgemein verbreitet Kultur verbreitet und verankert ist - sondern auch in wie weit diese Kultur auch etwas kulturfernere Schichten anbindet; Die Teilhabe an Kultur unter dem Gesichtspunkt des eigenen Status und Selbstwertgefühls erstrebenswert erscheinen läßt.
Eine ganz entscheidende Bedrohung von Kultur sind die Aufweichung oder Aufebung des Zusammenhangs zwischen Kultur und der direkten oder indirekten Relevanz von Kulturtechniken für die Wahrung oder Verschaffung von wirtschaftlichem und sozialem Status.
Einfach gesagt: Wenn wirtschaftlicher Erfolg und soziales Ansehen nicht mehr Folge - oder wenigstens Begleiterscheinung - von Bildung und Kultur sind - verlieren Kultur und die Aneignung ihrer Techniken an Sinn und damit auch an Attraktivität.
Kulturverlust droht folglich in Systemen mit einer erstarrten/erstarrenden sozio-ökonomischen Hierarchie und Systemen in denen sozio-ökonomischer Status unabhängig von Kultur erlangt werden kann.
An dieser Stelle ist hervorzuheben daß auch ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Kultur und Ethik besteht.
So wie das Erlangen von Kultur wenig erstrebenswert erscheint wenn sozio-ökonomischer Erfolg von dieser entkoppelt ist - verliert auch ethisches Verhalten seine Bedeutung.
Interessantes Beispiele hierzu sind der Nazionalsozialismus und der Kommunismus. Beide entspringen durchaus einer Epoche die von einer erheblichen Bedeutung von Kultur geprägt war. Beide sind jedoch Systeme in denen Kultur (und Ethik) für den persönlichen sozioökonomischen Erfolg tatsächlich irrlevant waren.
Entscheidend für den persönlichen sozioökonomischen Erfolg war vielmehr die Nähe zum System und seinen Strukturen.
Kultur erfüllte hier nur mehr eine repräsentative Rolle. Man schmückte sich mit Attributen von Kultur. Sowohl in Form einer vom System festgelegten Vorzeigekultur als auch durch das reine Anhäufen von bereits existierenden Kulturgütern. Analog verhielt es sich mit der Ethik, die in beiden Systhemen keine grundlegende quasi-verbindliche Bedeutung mehr hatte und lediglich als systemkonforme Behauptung existierte.
Ein anderes Beispiel wären die USA, in denen sozio-ökonomischer Erfolg rein ökonomisch begründet ist. Schon das Bild vom "Tellerwäscher zum Millionär" signalisiert daß Kultur und Bildung keine Attribute sind mit denen sich dann wenigstens der bereits gewordene Millionär zu schmücken braucht, um seinen erlangten sozialen Status zu demonstrieren.
Der soziale Status wird durch Konsum und materielle Statussymbole (zu denen auch teuere(!) Kulturgüter gehören können) angezeigt.
Auch hier steht die Frage der Ethik zwar grundsätzlich im Raum - steht jedoch in letzter Konsequenz hinter dem faktischen Erfolg zurück. Ein vorhandener moralischer Makel gefährdet nicht per die sozio-ökonomische Stellung.
Eine Konsequenz von Kulturverlust und fehlender Ethik sind sich verfestigende sozio-ökonomische Macht-Strukturen. Nicht zuletzt deshalb weil etablierte Strukturen Kraft iherer Macht danach trachten ihren Status-Quo mit allen verfügbaren Mitteln zu bewahren und zu verfestigen.
Kulturverlust und fehlende Ethik bringen also autoritäre Systeme hervor.
Kultur und Ethik spielen in autoritären Systemen nur dann eine Rolle wenn sie konkret als notwendig oder nützlich wahrgenommen werden. In autoritären Systemen ist Bildung auf systemerhaltende - vorwiegend praktisch relevante - Inhalte reduziert.
Hier kommt erschwerend hinzu daß selbst eine Bedeutung der praktischen Inhalte nur insoweit besteht als diese eine systemerhaltende Funktion haben.
Weil autoritäre Systeme eine sehr kleine Macht-Elite aufweisen, deren materielle Bedürfnisse und Wünsche sich auch mittels einer im Übrigen desolaten Volkswirtschaft auf hohem Niveau erfüllen läßt.
Wahrscheinlich hat sich der geduldige Leser bereits mehrfach gefragt was das alles mit Künstlicher Intelligenz zu tun hat.
Das Problem mit der Künstlichen Intelligenz ist daß sie Bildung und Wissen entwertet. Zugleich darf nicht übersehen werden daß Künstliche Intelligenz keineswegs frei im Sinne von unabhängig ist.
Künstiche Intelligenz bietet sich an einen Zustand zu ermöglichen der zuletzt vor dem Zeitalter der Aufklärung bestanden hatte.
Etwas flappsig formuliert könnte man sagen daß die Bibel die "Künstliche Intelligenz" nach der Spätantike war. Etwas das zwar im Prinzip als ethischer Leitfaden und Kodex unabhängig für sich selbst sprechen könnte - das sich aber mittels Auslegung nach Belieben den Bedürfnissen und Wünschen der Mächtigen angepassen ließ.
Entscheidend ist hier die analoge Wirkung von Bibel und Künstlicher Intelligenz. Beide ersetzen eigenes Lernen und Denken in dem sie es sozio-ökonomisch entwerten. Bei beiden ist es möglich die Kontrolle in einer überschaubaren Anzahl von ausgesuchten Systemerhaltern zu konzentrieren.
Der copy-and-pastende Mönch und Theologe des Mittelalters findet seine heutige Entsprechung im Computerspezialisten.
Sowohl der Theologe als auch der Computerspezialist mögen sogar zumindest teilweise um die Ungereimtheiten im Rahmen ihrer Tätigkeit wissen - Trotzdem fehlen ihnen die rein praktischen Voraussetzungen um mit ihrem Wissen das System wirksam in Frage zu stellen.
Daß dies (im Falle der Mönche) schließlich einem Martin Luther gelang war auch nur dem historischen Zufall zu verdanken, daß kurz zuvor der Buchdruck erfunden worden war. Es also möglich wurde das Schriften- und damit das Gedankenmonopol des herrschenden Systems zu durchbrechen.
Dabei wissen wir aus der Geschichte aber auch daß die Herrschenden auch selbst sofort die Möglichkeiten des Buchdrucks in ihrem Sinne zu nutzen wußten. Eine Folge war u.A. der 30-Jährige Krieg.
Heute stehen wir mit dem Internet und KI vor einem größeren Problem.
Ließen sich seiner Zeit Bücher, Hefte und Flugblätter bald "in jedem Keller" drucken und - allen Versuchen der Zensur zum Trotz - informell verbreiten; Ist das Internet (nicht zuletzt durch KI selbst) "kontrollierbar" (geworden). Dabei ist das Inernet als (kontrollierbarer) Kommunikationsraum aber zugleich eine übermächtige Konkurrenz zu anderen Verbreitungswegen von "Aufklärung".
Das Internet ist schon heute (wie einst vielleicht die Kirche) der fast aussschließliche Raum für Unterhaltung und Zerstreuung. Dessen Flut an Information, Propaganda und vor allem Unterhaltung und Zerstreuung die breitere Masse für andere Inhalte weitghenend unempfänglich macht.
Anders als z.B. im Zeitalter des gedruckten Worts bedarf es nicht einmal mehr der gewiss möglichen (und damit wahrscheinlichen) Zensur. Grundlegende Systemkritik geht in der Flut an Inhalten unter. Grundlegende Systemkritik wird also schon weil quantiativ unbedeutend vom Mediennutzer (falls überhaupt) als unwichtig wahrgenommen.
Spätestens an dieser Stelle kommt ein weiteres Mal der Verlust an Kultur und vor allem Ethik zum Tragen: Eine weitgehend kultur- und ethik-freie Masse wird auch in Zukunft den sicher erreichbaren Vorteilen (so gering diese auch tatsächlich sein mögen) des Systems den Vorzug geben an statt diese durch systemkritisches Denken bzw. Verhalten zu gefährden.
Auch hier ließe sich noch einmal auf Nazionalsozialismus und Kommunismus verweisen. Diese beiden machen deutlich, daß sie nicht durch eine loakele Opposition gestürzt wurden sondern erst durch unmittelbare (Kriegsverlauf) oder mittelbare (Wirtschaftliche Zwickmühle) äußere Einflüsse.
Ähnliches könnte man im Übrigen auch zur der Macht der Kirchen feststellen: Deren Macht wurde letztendlich erst in Folge der Industriellen Revulution aus primär macht-/wirtschaftspolitischen Erwägungen relativiert. Wobei hier auffällt, daß sich die Aspekte der "Befreiung" auf die Bereiche beschränkten die sich wirtschaftlich/technologisch als hinderlich erwiesen. Die Unterdrückung durch restriktive "Moral" verlagerte sich lediglich von den Kirchen auf die weltliche Macht, wobei als ultimative Autorität der behauptete "Göttliche Wille" duch pseudo-/geistes-wissenschaftlich untermauerte Autorität ersetzt bzw. ergänzt wurde.
Die aktuelle politische Entwicklung in den USA deutet bedenklich in Richtung eines neuen Dunklen Zeitalters.
Bloßes Meinen/Glauben ersetzt Wissen und Erfahrung. Tatsächliche oder vermeintliche machtpolitische/materielle Vorteile werden ungeachtet moralischer Erwägungen angestrebt.
Demokratische Institutionen werden durch Träger ökonomischer Macht diekreditiert und demontiert.
Hervorzueben ist dabei auch eine kultische Dimension der Art daß Politik als Unterhaltung inszeniert und zelebriert wird. Angebliche Wahrheiten werden ohne vorangehende Diskussion oder Debatte verkündet. Die Aktionen sind dabei nicht ab- oder ausgewogen sondern radikal und nicht von Argumenten sondern (populären/populistischen) Sentiments getragen.
Bemerkenswert ist dabei Feindbilder in Verbindung mit dem Heucheln einer (hier christlichen) Moral eingesetzt werden und man sich selbst als Opfer stilisiert um damit auch destruktives Verhalten rechtfertigen zu können.
Es wäre allerdings auch hier falsch das Problem in den prominenten Protagonisten zu sehen.
Denn diese sind überhaupt erst möglich durch eine breite Bevölkerung die ihererseits erschreckend arm an Kultur, Bildung und vor allem Ethik ist.
Einer desozialisierten und damit depolitisierten Bevölkerung die opportunistisch, ohne Verantwortungsgefühl und aus Bequemlichkeit für einfachste Lösungen empfänglich ist.
Es wäre allerdings auch falsch hier ein Problem der USA oder sozial verwahrlosten Gesellschaften sehen zu wollen. Denn auch Jene, die gerde jetzt auf fehlende Kultur, Bildung und Ethik verweisen tun dies kaum aus einer tieferen inneren Verwurzlung in Kultur, Bildung und Ethik heraus - sondern bedienen sich lediglich deren Behauptung.
Das darunterliegende Problem bleibt daß auch diese Gesellschaften Teil einer globalen Gesellschaft sind, die durch den Verlust von Kultur, Bildung und Ethik für einfache Antworten empfänglich geworden ist.
Dies wird anhand der in Europa erkennbaren regionalen Unterschiede deutlich, die ein Nord-Süd-Gefälle erkennen lassen. Relativ(!) an Kultur, Bildung und Ethik reichere Gesellschaften sind eher bereit den eigenen Vorteil ethischen Erwägungen hintanzustellen. Wobei zu betonen ist daß auch diese Gesellschaften mit der Erscheinung belastet sind daß der Kausalzusammenhang zwischen Kultur, Ethik und sozio-ökonomischer Stellung des Einzelnen erodiert.